Einige von euch mögen all meine Erkenntnisse nicht großartig schockieren, für andere wiederum sind dies schon beinahe überlebenswichtige Information, die zu der Rubik “hätte ich das bloß vorher gewusst” zählen.
Als ich mich dazu entschied das Leben meines Sohnes und das Meine mit einem Neuanfang auf Mallorca auf den Kopf zu stellen, kannte ich die Insel und die Stadt bereits sehr gut. Aber wie man den Alltag dort meistert erfährt man eben auch erst dann, wenn man dort lebt.
Ich habe euch meine Erkenntnisse in eine kleine Regelsammlung gepackt, um es übersichtlicher zu machen.
Regel Nr. 1: Vertraue keiner Ampel!
Die selektive Farbblindheit der Spanier, wenn es um die Farben der Verkehrslichter geht, haben einen sehr guten Grund.
Rot ist nicht gleich Rot, und Grün erst recht nicht gleich Grün.
Es scheint, als lernten die Inselbewohner, besonders aber die Palmesaner (so nennen sich die Bewohner der Stadt Palma), von klein auf, dass man für seine Sicherheit im Straßenverkehr selbst Sorge zu tragen hat. Im Gegensatz zu der sehr großzügig, den betagteren Menschen zur Freude, kalkulierten Ampelschaltung in Deutschland, sind die Ampeln in Palma so zeitsparend eingestellt, dass kaum ein Augenzwinkern vergeht, wenn das Auto-Licht auf Rot und die Fußgängerampel auf Grün springt.
So passiert es schon mal, dass ein Autofahrer die dunkel-orange Farbe der Ampel noch nutzt, um an Geschwindigkeit aufzunehmen und die Linie überquert, während die Fußgänger bereits grünes Licht sehen und losmarschieren. Genau so müssen aber auch die Autofahrer auf die Menschen, die getreu dem “tranquilo”-Motto durch den Tag schreiten, achten.
Fazit: Ist dir dein Leben lieb, schau lieber drei Mal nach Links und Rechts, bevor du die Straße überquerst.
Regel Nr. 2: Verlasse dich niemals auf das Taxi.
Man stelle sich folgende Situation vor: Da du in der Stadt wohnst, benötigst du kein Auto, ebenso wie all deine Freunde.
Ihr plant nun ein gemeinsames Essen an einer schönen Lokation, auf einem nah gelegenen Hügel ein wenig außerhalb der Stadt. Der Tisch im Restaurant ist reserviert, die Pläne für die After-Party in Santa Catalina stehen schon und nach gefühlten tausend unbeantworteten Anrufen, konntet ihr bei einem Taxiunternehmen ein paar Fahrzeuge für euren Termin und die perfekte Uhrzeit vorbestellen, um euch auf den Hügel und wieder herunter zu bringen. Die Zeit bis zum Event vergeht wie im Fluge und jetzt kann es los gehen. Ihr trefft euch alle zu der verabredeten Zeit, am verabredeten Ort und wartet auf die Taxen. Und wartet… und wartet… Endlich kommt eines um die Ecke – eins. Nicht zwei, nicht drei, und schon gar nicht die vier, die eigentlich vorbestellt waren. Eins.
Nach 50 gescheiterten und einem erfolgreichen Anruf erreichen endlich die übrigen 3 Taxen den Ort und bringen die letzten Mitglieder eurer Gruppe, 40 Minuten nach dem ersten Taxi, zu dem Restaurant. Das Restaurant in welchem ihr natürlich für eine bestimmte Zeit reserviert hattet. Aber die Spanier sehen das zum Glück nicht allzu eng mit den Zeiten. Daher könnt ihr ganz in Ruhe essen und euren Wein trinken.
Fertig mit dem Essen und bereit zum Feiern, wartet ihr zur verabredeten Zeit vor dem Restaurant auf die Taxen. Tja, wie die Geschichte ausgeht, kann sich glaube ich Jeder ausmalen.
Fazit: Wenn du reich werden willst, eröffne ein Taxiunternehmen.
Regel Nr. 3: Uhrzeiten sind relativ.
Dies ist die Regel, die meiner Meinung nach, den größten inneren Zwiespalt erzeugt. Sie betrifft natürlich nicht die großen Einzelhandelsketten. Vielmehr geht es hierbei um die von waschechten Spaniern geführten Unternehmen. Der kleine Druckerladen am Kreisel, die Tapasbar um die Ecke und der Bäcker mit den besten Alfajores (typisches lateinamerikanisches Gebäck) der Stadt. Alle Palmesaner lieben und schätzen ihre kleinen Anlaufpunkte in der Nachbarschaft, doch Uhrzeiten stehen hier eher an zweiter Stelle. Es kommt schon mal vor, dass der Ladenbesitzer eine halbe Stunde nach der angekündigten Öffnungszeit, die Türen aufschließt.
Ebenso wichtig ist die tägliche “siesta”, zu der die Geschäfte ihre Schotten dicht machen. Diese sind üblicher Weise aber zu festgelegten Zeiten und auch ausgeschildert. (vorangegangene Aussage natürlich ohne Gewähr)
Bei einer Verabredung privater Natur sollte man als Mensch von deutscher Erziehung seine “5-Minuten-vor-der-Zeit-Einstellung” ablegen und immer bummelige 30 Minuten Geduld mitbringen. Ein Termin geschäftlicher Natur sollte selbstverständlich mit Pünktlichkeit wahrgenommen werden.
Fazit: Je nach dem aus welchem Standpunkt betrachtet, hat diese zeitlich bedingte Prioritätensetzung natürlich ebenso viele Vorteile, wie Nachteile.
Regel Nr. 4: Vitamin B ist essentiell.
Egal wie lang man in der Stadt seinem Alltagstrott schon nachgeht, für das Knüpfen neuer Kontakte, ist es nie zu spät. Denn diese sind besser als jede Zeitung, besser als jeder Jobportal.
Es gibt über das Jahr verteilt so einige Festivitäten in der Stadt. Die Spanier lassen sich doch eine Gelegenheit, das Leben zu feiern, nicht entgehen. Doch wenn es darum geht, wann, was, wo stattfinden soll, verlässt sich wohl jeder auf die stille Post. Natürlich kann man so einige Informationen bei einer mühseligen Durchforstung des Internets erlangen, aber so einiges habe ich selbst auch nur durch Zufälle mitbekommen.
So merkwürdig oder befremdlich es einem manchmal vorkommen mag, man muss Palma dafür einfach lieben. Denn dadurch, dass es eben nicht alles digitalisiert und vollautomatisch läuft, kommt man den Menschen viel schneller näher. Die Stadt von knapp 500 tausend Einwohnern, wird zum Dorf mit vielen bekannten Gesichtern.
Ein Freund und ich stellten fest, dass das Leben in Palma in etwa so ist:
Sie ist groß genug, um jeden Tag anderen Menschen zu begegnen, aber auch klein und persönlich genug, um ständig die selben bekannten Gesichter wiederzusehen.
Fazit: Fang bei deinen Nachbarn an.
In der Hoffnung, dass dir diese 4 Regeln die Eingewöhnung in Palma leichter machen, wünsche ich dir einen wundervollen Neustart für dein sonniges Leben.
Mit ganz viel Herz
Deine Vanessa