Im Alltag gibt es Eines, dem wir niemals ausweichen können werden.
Dem Kontakt zu anderen Menschen.
Sie umgeben uns, sind ein fester Bestandteil unseres Lebens. Ob nun die Familie, Freunde oder die Kassierer an den Kassen des Supermarkts um die Ecke, ohne sie können und wollen wir nicht.
Oder?
Manchmal mag es zu Situationen kommen, in denen wir uns wünschen, wir könnten uns in einer einsamen Berghütte zurückziehen, um niemanden mehr sehen zu müssen. Der Partner war untreu, die beste Freundin hat den Kontakt abgebrochen, die Familie hat sich gegen uns verbündet… Was auch immer es sein mag, angenehm ist es sicher nicht. Doch wenn wir uns dem Kontakt zu anderen Menschen nicht entziehen können oder wollen, wie schützen wir uns vor solchen unangenehmen Situationen?
Der Schlüssel ist das genaue Beobachten unserer Umgebung. Die verbesserte Menschenkenntnis würde dich rechtzeitig sehen lassen, wenn ein Mensch in deinem Umfeld einen Gefühlsumschwung oder gar Abneigung dir gegenüber empfindet.
Wie verbesserst du nun deine Menschenkenntnis?
Hier ist mein Trampelpfad zusammengefasst in 4 Schritte, die du nutzen kannst, um dein Umfeld besser wahrzunehmen.
Schritt 1 – lernen
Nimm dir Zeit. Zu Beginn reicht eine Stunde, alle paar Tage. Nutze diese Stunde, indem du an einen Ort gehst, an dem es viele Menschen gibt, du aber nicht unbedingt jemandem begegnest, den du kennen könntest. Suche dir einen Platz inmitten der Menschen oder ganz am Rand, von wo aus du die Menschen in Ruhe beobachten kannst. Nimm eine bequeme Körperhaltung ein und konzentriere dich nur auf die anderen Menschen. Nicht darauf, wie du aussiehst oder was andere über dich denken könnten. Es geht jetzt nur um die nichts ahnenden Personen, die direkt vor deiner Nase vorbeilaufen und Opfer deiner Übung werden. Suche dir Anfangs immer nur eine Person zurzeit heraus, die du betrachten möchtest. Nein, keine Sorge, das ist kein Stalking. Du sollst den Personen ja nicht folgen. Du bleibst die gesamte Stunde an dieser einen Stelle stehen und nimmst alles auf, was du siehst und fühlst.
Wenn du dir eine Person ausgesucht hast, entschlüssle sie mit deinem Blick.
Wie geht diese Person? Gebeugt, kerzengerade, schnell, oder langsam?
Was hat sie an? Weite Kleidung, enge Kleidung, bunte Farben oder eher gedeckt, hochwertig oder eher von normaler Qualität?
Womit umgibt sich die Person? Sind andere Personen bei ihr, hat sie einen Hund dabei, ist sie am Telefon oder ist sie allein?
Wie ist die Person beschaffen? Wie sind die Haare, wie ist das Gesicht, die Statur, die Erscheinung der gesamten Person?
Was sagt die Person ohne Worte? Konzentriere dich auf die Mimik, Gestik und die Körpersprache an sich. Was passiert, wenn die Person spricht? Welche Person bemerkt deinen Blick und schaut dich ebenfalls an, und wer bemerkt deine Anwesenheit nicht?
Wenn die Stunde um ist, gehe nach Hause und versuche dich so wenig Außeneindrücken auszusetzen, wie möglich. Lass deine Gedanken um das wahrgenommene kreisen. Verarbeite was du gesehen hast, und speichere Gelerntes ab.
Wenn du das ein paar Mal gemacht hast und dir immer mehr Sachen ausgefallen sind, versuche dich an deiner Familie und deinen Freunden, denn die kennst du. Du hast in der Vergangenheit schon unterbewusst ihre Persönlichkeiten analysiert und vieles abgespeichert. Doch nun ist es an der Zeit, die kleinen Dinge und Veränderungen bewusst wahrzunehmen. Schau sie dir an, wenn sie reden oder mit etwas beschäftigt sind, damit du sie nicht grundlos anstarrst. Du willst beim beobachten “unentdeckt” bleiben, denn nur so kannst du wirklich alles aufnehmen, was du siehst.
Wenn du merkst, dass es gut funktioniert, bist du bereit weiterzugehen.
Schritt 2 – trau dir selbst mehr zu
Nimm dir nun nicht mehr bewusst Zeit zum Beobachten, sondern binde es in deinen Alltag ein. Nutze jede Chance, die du bekommst.
Es steht ein Familienfest an oder auf der Arbeit wird gerade an deinem gemeinsamen Projekt in Teams gearbeitet? Kombiniere nun dein alltägliches Tun und das Beobachten von den Menschen um dich herum. Wie verhält sich die Dynamik im Raum? Wie sind die Beziehungen oder Verhältnisse zwischen den Menschen? Ist das, was sie sagen auch das, was sie empfinden?
Wenn du es dir zutraust, nutze auch Einzelgespräche wie zum Beispiel mit einem Familienmitglied, deinem Arbeitskollegen oder sogar deinem Chef, um die andere Person heimlich zu entschlüsseln. Wenn du damit keine Schwierigkeiten mehr hast, gehst du noch weiter.
Schritt 3 – anwenden
Jetzt geht es los. Du hast nun einiges gelernt und deinen sechsten Sinn für die Persönlichkeiten anderer Menschen aktiviert und trainiert. Nun willst du dir selbst das gelernte beweisen.
Dafür brauchst du Gespräche. Am besten mit Personen, die dir vertraut sind, damit ist es erst einmal leichter. Beobachte die Person im Laufe des Gespräches und suche ganz bewusst nach einer Tatsache, die diese Person ausstrahlt, aber nicht von selbst äußert. Sprich sie darauf an und frage, ob das, was du aufgefasst hast, korrekt ist. Hier ein Beispiel:
Du triffst dich mit deinem Vater, ihr steht in seiner Küche, sprecht eine Weile und unterhaltet euch über seine Arbeit. Dabei kocht er sich einen Kaffee. Seine Bewegungen sind etwas langsam, aber es ist ja auch noch morgens. Er nimmt seine am Rand bereits mit getrockneten Kaffeetropfen beschmutze Tasse, stellt sie unter den Ausguss der Maschine und wartet, während er von seinem Arbeitskollegen erzählt, der immer popelt, wenn er am Schreibtisch sitzt. Als der Kaffee fertig ist, nimmt der den Filter aus der Maschine und schmeißt ihn in den Müll zu den anderen zwei Kaffeefiltern, die bereits ganz obendrauf liegen. Nach einem Blick auf die Uhr stellst du fest, dass es 10 Uhr ist. Du siehst dir das Gesicht deines Vaters an und erkennst, dass seine Augenringe ein wenig stärker ausgeprägt sind als sonst und seine ganze Mimik ein wenig langsam und matt wirkt. Seine Augenlieder liegen tief und die Augenbrauen sind beim Erzählen beinahe die gesamte Zeit angestrengt zusammengezogen. Du beobachtest seine gesamte Erscheinung und stellst fest, dass er während der ganzen Zeit nicht einmal stillgestanden ist und auch von der Atmung beim Sprechen sehr unruhig wirkt.
Nun wertest du die gesammelten Informationen aus. Ist er müde oder erschöpft? Wie lange ist das schon so? Könnte es noch etwas anderes sein? Woran könnte es liegen, was ist der Grund für diese Ausstrahlung?
Also sprichst du ihn darauf an. Mach es beiläufig, um dir selbst für den Fall, dass du falsch interpretiert hast, nicht zu blöd vorzukommen oder gar unhöflich zu wirken.
“Hast du nicht gut geschlafen, Papa?”
Entweder wird er dir nun erklären, warum er so müde ist und bereits seine fünfte Tasse Kaffee trinkt, oder aber er wird dich fragen, wie du zu dem Schluss kommst.
Dabei wir seine Betonung entweder Verwunderung darüber ausdrücken, dass du etwas richtig erkannt hast, ohne dass er es bewusst preisgeben wollte, oder sie wird dir abweisend klarmachen wollen, dass du falsch liegst. Lass dich nicht entmutigen, wenn du falsch liegst. Versuche durch gezielte Fragen herauszufinden, was mit ihm los ist, oder ob etwas los ist, und merke dir deine Fehlinterpretation für das nächste Mal.
Versuche dich im Interpretieren so oft es nur geht. Wenn du bei deiner Familie und deinen Freunden öfter richtig liegst, als falsch, übe dich auch an Fremden Personen.
Der wichtigste Aspekt deiner Verbesserung der Menschenkenntnis ist jedoch der Folgende.
Schritt 4 – Die Goldene Regel
Die wichtigste Regel zu diesem “Spiel” lautet: “Nicht alles was du siehst, sollte ausgesprochen werden.”
Es gibt einige Dinge, die eine Person über die Körpersprache, Mimik, Gestik oder einfach das Verhalten preisgeben kann, die sie aber gar nicht mitzuteilen bereit war. Freu dich, dass du wahrnehmen konntest, was der andere nicht ausgesprochen hat, und behalte es für dich. Feiere einen inneren Sieg. Denn beim Verbessern der Menschenkenntnis geht es auch darum, den Respekt der Privatsphäre des Anderen zu wahren.
Des Weiteren kann ein Outen deinerseits auch zu Abneigung führen. Menschen mögen es für gewöhnlich nicht, wenn sie die Kontrolle darüber verlieren, was sie der Außenwelt mitteilen. Sie wollen in der Lage sein, Jemanden nicht zu mögen, ohne es demjenigen offenbaren zu müssen. Sie wollen selbst entscheiden können, wem sie zeigen, wie es ihnen wirklich geht. Wenn dann aber jemand ungefragt offenlegt, was sie zu verstecken versucht haben, könnte es dabei zu Verstimmung auf beiden Seiten kommen.
Die Person, dessen “Geheimnis” offenbart wurde, versucht sich durch Abneigung zu schützen, und du bist betroffen darüber, dass du für deinen Erfolg einen Menschen richtig gelesen zu haben, mit einer negativen Reaktion gestraft wirst. Also behalte eine hohe Sensibilität für die Privatsphäre der Menschen um dich, sprich deine Erkenntnisse mit Fingerspitzengefühl nur dann an, wenn es für beide Seiten hilfreich sein könne und verschrecke sie nicht, indem du ihnen ankündigst, dass du sie beobachtest.
Geschafft! Mit diesen 4 Schritten wird es dir im Laufe der Zeit immer leichter fallen, die Menschen um dich herum zu “lesen” und Verhaltensmuster zu entschlüsseln. Dadurch wird dir unübliches Verhalten schneller auffallen, was dir wiederum zugutekommen wird, wenn es darum geht, dich selbst vor unschönen Situationen in der Zukunft zu schützen.
Natürlich werden dir hier und da noch Fehler unterlaufen oder Sachen entgehen, aber es wird mit der Zeit weniger. Beschäftige dich mit dem Thema, bleibe am Ball und sei geduldig mit der selbst.
Mit ganz viel Herz
Deine Vanessa